Harninkontinenz

Harninkontinenz

Harninkontinenz, Blasenschwäche oder das Problem mit der Blase…

Der unwillkürliche, unfreiwillige Harnverlust wird als Harninkontinenz bezeichnet. Laut Definition der Fachgesellschaften liegt eine Inkontinenz offiziell bereits ab einem Tropfen Urinverlust vor. So verschieden und z.T. irreführend wie die unterschiedlichen Bezeichnungen sind-Harninkontinenz, Blaseninkontinenz, Blasenschwäche, unwillkürlicher Harnverlust, Reizblase- so verschieden sind auch die Ursachen dieser Blasenstörung. Im Folgenden wird die Erkrankung zunächst beschrieben und erklärt. Anschließend werden Hinweise zur Therapie gegeben. Einen persönlichen Arzttermin können diese Ausführungen allerdings nicht ersetzen.

Eine Volkskrankheit

Die Harninkontinenz ist ein weit verbreitetes Leiden, das Männer und Frauen aller Altersstufen gleichermaßen betrifft. Durch die zunehmende Lebenserwartung kommt dieser Erkrankung eine immer größere medizinische und gesellschaftliche Bedeutung zu. In Deutschland sind acht bis neun Prozent der Gesamtbevölkerung betroffen, dies sind etwa 7 Millionen Menschen. Die Erkrankungshäufigkeit steigt mit zunehmendem Alter, wobei Frauen früher als Männern erkranken (z.B. durch Erschlaffung der Beckenbodenmuskulatur nach Geburten oder in den Wechseljahren). Bei den Patienten über 65 Jahre sind Frauen noch doppelt so häufig wie Männer betroffen. Mit zunehmendem Alter und bei den über 70jährigen sind dann etwa 30 Prozent der Männer und Frauen etwa gleich häufig erkrankt. Oft wird dieses Leiden vom Patienten aus Schamgefühl selbst gegenüber dem Arzt nicht erwähnt. Dies ist ein Fehler, denn durch eine adäquate Therapie kann den Betroffenen gut geholfen werden.

Die gesunde Blase

Die Blase ist ein muskuläres Organ, das mit einer besonderen Schleimhaut (Urothel) ausgekleidet ist. Sie liegt bei beiden Geschlechtern im kleinen Becken und hat die Funktion, den von den Nieren produzierten Urin zu sammeln (Speicherfunktion) und bei entsprechender Gelegenheit zu entleeren (Entleerungsfunktion). Eine gesunde Blase faßt bei beiden Geschlechtern 300 bis 500 Milliliter Urin, es können allerdings auch größeren Mengen zurückgehalten werden. Ab einem Füllvolumen von etwa 150 bis 200 Milliliter setzt normalerweise der erste Harndrang ein. Diesem muss allerdings nicht sofort nachgegangen werden. Erst wenn das Gehirn den Befehl zum Wasserlassen gibt, öffnet sich bei Gesunden der Schließmuskel, die Blase zieht sich zusammen und entleert sich. Für einen reibungslosen Ablauf dieses vermeintlich einfachen Vorgangs ist eine gute Koordination zwischen verschiedenen Nerven- und Muskelsystemen notwendig. Die Tatsache, dass Kleinkinder ca. 2-3 Jahre brauchen, bis sie „trocken“ sind, zeigt, wie komplex die Vorgänge in Wirklichkeit sind. Bei einer Flüssigkeitsaufnahme von rund zwei Litern gelten fünf bis sechs Toilettengänge pro Tag als normal.

Arzneimittel oder besondere Lebensmittel können eine Inkontinenz begünstigen

Einige Getränke wie Tee, Kaffee und Alkohol sowie einige Gemüsesorten (Spargel) fördern die rasche Urinproduktion und können eine Dranginkontinenz begünstigen. Auch Medikamente wie zum Beispiel Entwässerungsmittel, Beruhigungs- und Schlafmittel oder Psychopharmaka fördern eine Harninkontinenz. Medikamente, die als Nebenwirkung Husten verursachen, können andererseits eine Belastungsinkontinenz begünstigen. Falls Sie regelmäßig Medikamente einnehmen, sprechen Sie Ihren Arzt einmal daraufhin an, ob eventuell ein Zusammenhang mit Ihrer Inkontinenz bestehen könnte.

Die Ursachen der Harninkontinenz

Blaseninkontinenz ist ein Symptom, das durch verschiedene Grunderkrankungen verursacht werden kann. Hierzu zählen:

  • Funktionsstörungen des Schließmuskelsystems
  • Eine Beckenbodenmuskelschwäche oder eine Bindegewebsschwäche (z.B. infolge von Übergewicht, Schwangerschaft und Geburten, Wechseljahren oder schwerer körperlichen Arbeit) können zu einer Schädigung des Schließmuskels führen.
  • Funktionsstörungen der Blasenwandmuskulatur (Detrusor vesicae) z.B.infolge von Entzündungen, Steinen oder auch Blasentumoren.
  • Funktionsstörungen bei der Reizleitung zwischen Gehirn, Rückenmark und Blase, z.B. ausgelöst oder begünstigt durch Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Demenz, Diabetes mellitus, eine Multiple Sklerose oder einer Querschnittslähmung.

Die richtige Diagnose stellen

Da die einzelnen Inkontinenzformen völlig unterschiedlich therapiert werden, ist eine genaue diagnostische Abklärung erforderlich. Um zu einer richtigen Diagnose zu gelangen und dem Patienten helfen zu können, gilt es bei dieser Erkrankung umso mehr, dem Patienten zunächst sehr aufmerksam zuzuhören und dann die richtigen Fragen zu stellen. Die anschließenden Untersuchungen (körperliche Untersuchung, Urinuntersuchung, Ultraschall, Urinstrahlmessung und ggf. Blasenspiegelung) dienen dann der Erhärtung der Verdachtsdiagnose.

Die folgenden Fragen können einen ersten Hinweis geben

  • Haben Sie in den vergangenen drei Monaten unfreiwillig Urin verloren?
    Wenn ja:
  • Haben Sie überwiegend beim Husten, Niesen, Lachen oder Treppensteigen Urin verloren?
  • Wenn Sie auch diese Frage mit ja beantworten, liegt vermutlich eine Belastungsinkontinenz vor.
  • Haben Sie überwiegend Urin verloren, wenn Sie dringend zur Toilette mussten, aber keine in der Nähe war („der Schlüssel steckte bereits in der Wohnungstür und ich konnte es nicht mehr halten“)?
  • Wenn Sie diese Frage mit ja beantworten, liegt vermutlich eine Dranginkontinenz vor.

Folgende Formen der Inkontinenz werden unterschieden

  • Belastungsinkontinenz (früher als Stressinkontinenz bezeichnet):
    Der neue Begriff Belastungsinkontinenz soll Missverständnisse vermeiden, denn diese Inkontinenzform wird nicht durch psychischen Stress verursacht, sondern durch eine besondere Belastung des Beckenbodens.
  • Dranginkontinenz, auch als Urge-Inkontinenz bezeichnet. Verwirrenderweise werden milde Formen der Dranginkontinenz auch als Reizblase bezeichnet.
  • Überlauf-Inkontinenz
  • Reflex-Inkontinenz, auch neuropathische Inkontinenz genannt
  • extraurethrale Inkontinenz.

Die beiden ersten Formen sind die häufigsten.

Belastungsinkontinenz

Bei einer Belastungsinkontinenz löst der erhöhte Bauchinnendruck durch Belastung, Pressen aus verschiedensten Gründen (Heben, Tragen, Treppensteigen, Lachen, Husten, Niesen) den mehr oder weniger ausgeprägten Harnverlust aus. Typisch für diese Inkontinenzform ist, dass Betroffene vor dem Urinverlust keinen Harndrang verspüren („Ich kann es nicht halten“). Es werden drei Schweregrade nach Stamey unterschieden.

In erster Linie sind Frauen über 40 betroffen. Nach mehrfachen Spontangeburten kann es zu einer Überdehnung und Erschlaffung von Haltebändern und Beckenboden kommen. Eine zu schwache Beckenbodenmuskulatur ist dann nicht stark genug, um dem Druck, der von oben auf die Blase wirkt, ausreichend Widerstand entgegen zu setzen. Andere Ursachen sind hormonelle Veränderungen (Östrogenmangel) nach den Wechseljahren, altersbedingter Verlust an Muskelmasse, starkes Übergewicht oder eine angeborene Bindegewebsschwäche.

Beim Mann dagegen ist diese Form der Inkontinenz meist Folge einer traumatischen Schädigung des äußeren Blasenschließmuskels durch Operationen (z.B. nach Radikaler Prostatektomie) oder Unfälle.

Dranginkontinenz oder Überaktive Blase (OAB)

Bei der Dranginkontinenz, auch als überaktive Blase bezeichnet (OAB, overactive bladder), kommt es aufgrund der unwillkürlichen Kontraktion des Blasenmuskels (Musculus detrusor vesicae) zu einem plötzlich auftretenden Harndrang. Typische Zeichen für diese Inkontinenzform sind häufiger, sehr starker Harndrang bis hin zu Krämpfen, der sich oft schon auf dem Weg zur Toilette nicht mehr beherrschen lässt („Ich konnte die Toilette nicht mehr rechtzeitig erreichen“). Der meist intensive Harndrang und die Angst vor dem Malheur zwingt Betroffene zu häufigen Toilettengängen und damit letztlich in einen Teufelskreis. Die Betroffenen sind hierdurch in Ihrem sozialen Umfeld stark beeinträchtigt.
Es wird unterschieden zwischen der OAB mit Inkontinenz (OAB wet) und ohne Inkontinenz (OAB dry). Die alte Nomenklatur dazu ist:

Sensorischen Dranginkontinenz: verwirrenderweise auch Reizblase genannt, hier reagiert der Blasenmuskel bereits bei geringer Füllung überaktiv. Es kommt zum Druckanstieg in der Blase und zum Urinabgang. Die dadurch abgehende Urinmenge ist meist vergleichsweise gering. Typische Ursachen der sensorischen Dranginkontinenz sind Entzündungen der Blase, Blasensteine, Blasentumore oder ein Östrogenmangel. Auch altersbedingte Gewebeveränderungen oder seelische Belastungen sollen eine Rolle spielen können.

Motorische Dranginkontinenz: hier ist der Blasenwandmuskel überaktiv. Er zieht sich schon auf den geringsten Reiz hin so kräftig oder lang andauernd zusammen, dass der Druck in der Blase plötzlich extrem ansteigt. Dadurch reicht der Gegendruck des Blasenschließmuskels nicht mehr aus und es kommt zur vollständigen Blasenenentleerung. Zurückzuführen ist diese Art der Inkontinenz in erster Linie auf Erkrankungen, die die Gehirnfunktionen beeinträchtigen, wie zum Beispiel Alzheimer, Parkinson, Multiple Sklerose oder Schlaganfall. Aber auch Strahlenschäden, Diabetes mellitus, Alkoholmissbrauch und bestimmte Arzneimittel kommen in Frage.

Mischinkontinenz

Hier sind Drang- und Belastungsinkontinenz kombiniert.

Überlaufinkontinenz

Typisch für eine Überlaufinkontinenz ist die unvollständige Blasenentleerung. Es verbleiben nach dem Toilettengang stets große Mengen Restharn in der Blase, so dass ein Tropfen die Blase im wahrsten Sinn des Wortes zum Überlaufen bringt, der Urin geht tropfenweise und unkontrolliert ab. Der Mediziner unterscheidet dabei zwischen einer obstruktiven und einer funktionellen Überlaufinkontinenz.

Bei der obstruktiven Überlaufinkontinenz ist der Urinabfluss behindert, zum Beispiel durch eine vergrößerte Prostata. Die Blase wird nur unvollständig entleert und überdehnt und es kommt zu einer Verdickung der zugehörigen Muskulatur. Betroffene können den Urin dann nicht mehr aktiv ausscheiden und es resultiert die so genannte Tröpfel-oder Überlauflinkontinenz . Diese Inkontinenzform ist die Häufigste bei Männern.
Die funktionelle Überlaufinkontinenz ist gekennzeichnet durch eine Blasenmuskelschwäche, der Blasenmuskulatur ist unfähig, sich zusammen zu ziehen. Hauptursache sind Nervenleiden oder angeborene oder erworbene Rückenmarksleiden, aber auch im Rahmen eines Diabetes mellitus. Bestimmte Medikamente können ebenfalls eine funktionelle Überlaufinkontinenz verursachen.

Reflexinkontinenz

Die selten anzutreffende Reflexinkontinenz wird durch eine Schädigung der Nervenbahnen (zum Beispiel bei Querschnittslähmung oder Multipler Sklerose) hervorgerufen. Die Blase entleert sich vollkommen unkontrolliert oder aufgrund äußerer Reize, ohne dass vorher ein Harndrang spürbar war, der Harnfluss kann nicht willentlich unterbrochen werden. Zwischen Harnspeicherung und Harnentleerung ist entsprechend keinerlei Koordination mehr möglich.

Extraurethrale Inkontinenz

Bei dieser Inkontinenzform geht der Urin nicht über die Harnröhre ab. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Angeborene Fehlbildungen (ein Harnleiter mündet in die Scheide) oder erworbene Fisteln (z.B. nach Operationen oder Bestrahlungen) sind Ursache für dieses Krankheitsbild. Typischerweise berichten betroffene Frauen über ein ständiges und nasses Gefühl im Genitalbereich.

Psychologische Bedeutung der Inkontinenz

Da die Sauberkeitserziehung einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft hat, führt die Harninkontinenz häufig zur sozialen Isolation, zumal viele Inkontinenz-Kranke aus Scham sogar die Konsultation eines Arztes (Urologe, Gynäkologe) scheuen. Aus diesem Grund muss von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden. Andererseits ist zu beobachten, dass mehrere Anbieter von Spezialprodukten ihre Marketing-Strategien umgestellt haben und auf eine Enttabuisierung des Themas hinarbeiten.

Wann zum Arzt?

Bei Harninkontinenz sollte der Arztbesuch auf keinen Fall durch falsche Scham hinausgezögert werden, es ist ein häufiges Problem. Da die Harninkontinenz auch das erste Symptom einer schwereren Erkrankung sein kann, sollte auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden, wenn sie länger als eine Woche andauert. Durch eine rechtzeitige und richtige Therapie kann sie meistens entscheidend gebessert oder sogar ganz beseitigt werden.

Die Therapie

Der Verlauf und die Therapie richtet sich nach der Form der Inkontinenz. Bei den einzelnen Inkontinenzformen kommen insbesondere folgende Behandlungsarten zum Einsatz:

Belastungsinkontinenz:

Therapeutisch stehen bei leichten Fällen konservative, in schwereren Fällen eine Reihe von operativen Methoden zur Verfügung.

Bei leichten Fällen von Harninkontinenz steht bei Übergewicht zunächst das Abnehmen im Vordergrund. Studien haben gezeigt, dass bereits ein Gewichtsverlust von fünf bis zehn Prozent des Körpergewichts die Anzahl der wöchentlichen Inkontinenzepisoden halbiert.

Zusätzlich ist die Stärkung der Beckenbodenmuskulatur außerordentlich wichtig.
Beim sog. Beckenboden-Training werden durch gezielte gymnastische Übungen Schließ- und Beckenmuskulatur gestärkt. Wichtig ist die richtige fachmännische Anleitung, zum Beispiel durch einen Physiotherapeuten. Ein Beckenboden-Training bieten auch Volkshochschulen, Sportvereine und Hebammen an.
Unterstützt werden kann das Beckenboden-Training durch Biofeedback-Geräte, Vaginalkonen und Elektrostimulation. Biofeedback-Geräte registrieren die eingesetzte Muskelkraft des Beckenbodens und dienen daher der eigenen Kontrolle. Vaginalkonen sind kegelförmige Gewichte, die in die Scheide eingeführt werden. Um die Gewichte dort zu halten, muss die Beckenbodenmuskulatur angespannt werden und wird dadurch trainiert.
Zur Elektrostimulation führt man kleine Sonden in die Scheide oder den Enddarm ein. Sie senden elektrische Reize aus, die zu einem Kribbeln oder zu einem Zusammenziehen der jeweiligen Muskeln führen, was Betroffenen hilft, die richtigen Muskeln zu trainieren.
Empfehlenswert ist für jeden Betroffenen ist ein regelmäßiges Ausdauertraining. Als besonders geeignet gelten Schwimmen, Radfahren, Wandern und Gymnastik. Tennis, Squash und Joggen strapazieren dagegen unnötig den Beckenboden und gelten deshalb als weniger geeignet.

Bei der medikamentösen Therapie der Belastungsinkontinenz erhöht z.B. der Wirkstoff Midodrin den Widerstand der Harnröhre und Duloxetin die Aktivität der quergestreiften Muskulatur der Harnröhre.

Bei schweren Fällen von Belastungsinkontinenz werden heute in erster Linie minimal-invasive Eingriffe durchgeführt. Bei der Frau werden Operationen durchgeführt, in denen künstliche Bänder spannungsfrei unter die Harnröhre platziert werden, z.B. die TVT-Operation (Tension-free vaginal tape= spannungsfreies vaginales Band).

Beim Mann werden neuerdings ebenfalls Bänder unter die Harnröhre platziert. In schweren Fällen kann ein künstlicher Schließmuskel implantiert werden, bei dem mittels Pumpensystem eine um die Harnröhre gelegte aufblasbare Manschette gefüllt bzw. geleert wird.

Das Umspritzen der Harnröhre mit Hyaloronsäure führt innerhalb des ersten Jahres bei etwa der Hälfte der Patienten zu einer Verbesserung, die Langzeiterfolge dieser Behandlung sind allerdings gering und die Komplikationsrate hoch. Auch erste Versuche mit einer Stammzelltherapie scheinen Erfolg versprechend. So wurden im Münchner Klinikum Rechts der Isar Patienten Stammzellen aus dem Oberarmmuskel in den Schließmuskel der Harnröhre injiziert. Daraus entwickelten sich neue Muskelfasern, die den Schließmuskel stärken. Diese Form der Therapie ist allerdings noch experimentell.

Dranginkontinenz

Die Therapie der sensorischen Dranginkontinenz ist kausal, also die Ursache beseitigend. So müssen Infektionen antibiotisch behandelt, Tumore operiert werden. Ein Östrogenmangel kann durch lokale Salbenapplikation therapiert werden.

Die Therapie der motorischen Dranginkontinenz ist symptomatisch, also lediglich die Beschwerden lindernd, denn hier ist die Beseitigung der Ursache oft nicht möglich. Um einem unwillkürlichen Harnabgang vorzubeugen, sollten Sie keinesfalls weniger trinken, sondern durch Selbstbeobachtung herausfinden, wann nach Flüssigkeitsaufnahme ein vorbeugender Toilettengang angebracht ist. Empfohlen wird ein Blasentraining. Dabei trainiert der Patient, die Abstände zwischen den Toilettengängen allmählich zu verlängern. Meiden Sie harntreibende Getränke wie Kaffee, schwarzen Tee oder Bier. Ebenso wie bei der Belastungsinkontinenz kann ein Beckenbodentraining Linderung verschaffen.
Bei mittelschweren Formen kann ein medikamentöser Therapieversuch sinnvoll sein. Hierbei kommen Medikamente zur Anwendung, die die Kontraktionsfähigkeit des Blasenmuskels herabsetzen, sog. Acetylcholinesterase-Blocker (z.B. Spasmex, Spasmolyt, Emselex, Vesicur, Mictonorm). Leider wird durch die allgemeinen Nebenwirkungen (Verstopfung, trockener Mund, Verschlechterung der Sehkraft) die Therapie oftmals nicht durchgehalten.
Bei schwersten Formen der überaktiven Blase kann eine Injektion mit Botulinum-Toxin in den Blasenmuskel für rund sechse Monate Linderung verschaffen. Dies ist ein operativer Eingriff in Narkose und wird leider nicht von allen Krankenkassen erstattet.

Überlaufinkontinenz

Diese Inkontinenzform ist die Häufigste bei Männern. Sie beginnt meist mit den Syptomen: häufiger Harndrang, schwacher Strahl, häufiges nächtliches Wasserlassen. Das Einnässen ist dann meist schon ein spätes Signal. Wie bei allen Erkrankungen gilt auch hier: je früher die Therapie beginnt, umso besser und schonender ist dies für den Patienten. Bei leichten Formen können eventuell pflanzliche Mittel wie zum Beispiel Extrakte aus Kürbissamen oder Brennesselwurzel zur Linderung beitragen.
In anderen Fällen wird versucht, durch Medikamente (alpha-Blocker) eine regelmäßige, kontrollierte Entleerung der Blase herbeizuführen. Das ist wichtig für das persönliche Wohlbefinden und weil in der Blase aufgestauter Urin Infektionen von Blase und Niere begünstigt.
Bei sehr großen Prostatadrüsen können sogenannte alpha-Reduktasehemmer die Prostata zum Schrumpfen bringen, was allerdings recht lange dauert. Leider greifen diese Medikamente in den Hormonstoffwechsel des Mannes ein mit unerwünschten Nebenwirkungen wie Libidoverlust und Anschwellen der Brustdrüsen.
Sollte die medikamentöse Therapie nicht zum Erfolg führen, so kann eine endoskopische Prostataoperation (TUR-P, s.a. Menüpunkt Urologie/Operationen) dem Patienten rasch geholfen werden.

Andere Therapieverfahren

Akupunktur
Elektrotherapiemaßnahmen zur Durchblutungsförderung
Neuraltherapie

Allgemeine Maßnahmen

Flüssigkeitszufuhr

Verzichten Sie keinesfalls auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr! Denn sonst schrumpft die Harnblase und der Harndrang tritt immer schneller ein. Zudem kann der Flüssigkeitsmangel an verschiedenen Organsystemen, insbesondere den Nieren, irreparable Schäden anrichten. Zwei Liter Flüssigkeit sollten es pro Tag schon sein.

Sport/Fitness

Stärken Sie Ihre Muskulatur durch Beckenboden-Training (s.o.) und nehmen Sie ab. Zudem gilt: Rückenschonung ist Beckenbodenschonung. Besonders ungünstig für den Beckenboden ist das Heben und Tragen von Lasten. Wenn schwere Dinge angehoben werden müssen, sollte es rückengerecht erfolgen (in die Hocke gehen, dann mit geradem Rücken aufrichten und den Gegenstand möglichst nah am Körper halten). Bei Arbeiten, die im Stehen zu verrichten sind (zum Beispiel Essen zubereiten, Geschirr abspülen und Bügeln) empfiehlt es sich, zur Entlastung in Schrittstellung zu stehen. Dabei ruht das Gewicht auf dem vorderen Bein und das zurück gestellte Bein ist durchgestreckt. Beim Staubsaugen und Boden wischen sollte der Rücken aufrecht gehalten werden. Weiteres über rückengerechte Haltung lernt man in einer Rückenschule, die von vielen Physiotherapeuten und Sportstudios angeboten wird.
Beim Husten und Niesen – Situationen, in denen besonders oft unfreiwillig Urin abgeht – hilft es außerdem, den Kopf über die Schulter zu drehen (oder nach oben zu gucken). So lässt sich vermeiden, dass der Oberkörper automatisch vornüber schnellt und der ohnehin schon große Druck im Bauchraum auf die Beckenbodenmuskulatur verstärkt wird.

Hautpflege

Da durch Ihre Erkrankung die Haut sehr beansprucht wird, kommt der richtigen Hautpflege besondere Bedeutung zu. Verwenden Sie am besten ein Nässe absorbierendes Vlies (besonders hochwertige, Geruch stoppende Produkte erhalten Sie in der Apotheke) und pflegen Sie Ihre Haut mit Spezialcreme und Puder.

Hilfsmittel bieten Sicherheit

Hilfsmittel helfen, die Begleiterscheinungen erträglicher zu gestalten, Mobilität zu sichern und die Auswirkungen der Inkontinenz zu mildern. Angeboten werden Vaginalpessare, Kondomurinale und absorbierende Hilfsmittel wie Unterlagen, Vorlagen und Windeln. Vorlagen und Windeln gibt es abgestimmt auf die Schwere der Inkontinenz. Gute Produkte sind so gestaltet, dass sie problemlos Feuchtigkeit aufnehmen, nicht auslaufen, knisterfrei sind und Gerüche verhindern. Vagninalpessare verhindern, dass der Druck in der Blase höher ansteigt als in der Harnröhre und beugen so einem unfreiwilligem Harnabgang vor. Sie sind ein wirkungsvolles Hilfsmittel bei Belastungsinkontinenz, zum Beispiel infolge einer Gebärmuttersenkung oder nach der Entbindung, wenn sich die Harninkontinenz während der Schwangerschaft entwickelt hat. Durch das Tragen eines Pessars für einige Monate nach der Entbindung wird die Rückbildung genau an der richtigen Stelle unterstützt.
Kondomurinale bestehen aus dünnen Kunststoffschläuchen, die mit der Blase verbunden werden und samt zugehörigem Auffangbeutel sehr diskret getragen werden können.
Unterlagen (Betteinlagen) bestehen aus Zellstoff und werden aufs Unterbett beziehungsweise auf das Bettlaken gelegt, sind also für bettlägerige Menschen oder für die Nacht geeignet.
Vorlagen ähneln Damenbinden. Sie werden mit Hilfe eines Haftstreifens in einer gut sitzenden Unterhose befestigt. Vorlagen für Männer gibt es in anatomisch angepassten Form. Die Art und Größe der angebotenen Vorlage richtet sich nach der erforderlichen Saugleistung. Außerdem gibt es spezielle Produkte für den Tag und für die Nacht. Alle diese Produkte erhalten Sie in der Apotheke.
Auch die Verwendung mechanischer Hilfsmittel, wie Penisband / -bändchen oder Penisklemme, welche äußerlich am Penisschaft angebracht Druck auf die Harnröhre ausüben und so den ungewollten Harnverlust unterbinden, ist eine probate Therapie, um den Theaterbesuch zu ermöglichen.